Motivieren, Netzwerken, Werben
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Wie ein Projekt in Bernkastel-Wittlich Frauen für die Kommunalpolitik gewinnt
Politisches Engagement ermöglicht Gestaltung und macht Spaß – das sind die Kernbotschaften, die Gabriele Kretz, die Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Bernkastel-Wittich mit einem außergewöhnlichen Projekt vermitteln möchte. Werbebanner mit „müssen“ und „brauchen“ sind aus ihrer Sicht der falsche Ansatz, um mehr Frauen für die Politik zu gewinnen. Stattdessen hat sie im Kreis ein Projekt mit dem Titel „Zukunft gestalten – Kommunalpolitik lockt Frauen“ ins Leben gerufen, in dessen Rahmen sie in verschiedenen Veranstaltungen möglichst positive und spannende Einblicke in die Kommunalpolitik ermöglicht.
Kaum Frauen in Gemeinderäten
Der Ausgangspunkt für die Initiative von Kretz war die Veröffentlichung des Paritätsberichts in Rheinland-Pfalz für die Periode von 2019 bis 2024. Dieser zeigte auf, dass nur 23 Prozent Frauen in den Parlamenten in ganz Rheinland-Pfalz vertreten sind. Für den Landkreis Bernkastel-Wittlich präsentierte sich mit rund 40,5 Prozent Frauen zwar ein deutlich besserer Schnitt, doch der Blick in die verschiedenen Gemeindeparlamente war laut Kretz schockierend. „Als ich mir die Zahlen in den einzelnen Gemeinden angesehen habe, hat sich gezeigt: in 40 Prozent der Gemeinderäte sitzt entweder gar keine Frau oder aber nur eine einzige weibliche Gemeinderätin“, so die Gleichstellungsbeauftragte. Als sie das realisiert hat, wurde ihr klar: „Hier muss sich etwas ändern!“
Kommunale Kooperation und Netzwerkarbeit
Um möglichst breit und auf vielen unterschiedlichen Ebenen zu wirken, hat Kretz an verschiedenen Stellen im Landkreis angedockt und Kooperationen geschmiedet. So kamen unter anderem die Landfrauen und die Unternehmerfrauen mit ins Boot, die regionalen Volkshochschulen, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschland und die Kreisentwicklung. Bei vielen dieser Stellen rannte Kretz mit ihrer Idee, mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, offene Türen ein, wie sie erzählt. Dabei hätten auch etliche Frauen grundsätzlich offen darauf reagiert, selbst in der Politik aktiv zu werden: „Von vielen Frauen habe ich die Rückmeldung erhalten: Es würde mich grundsätzlich schon interessieren, aber ich habe ja keine Ahnung, wie das funktioniert“, sagt Kretz. Das wollte sie ändern.
Niedrigschwellig, vielseitig und unterhaltsam
Schon mit dem Titel der Initiative wollte Gabriele Kretz zeigen: „Man kann im politischen Ehrenamt gestalten und das kann Spaß machen!“. Unter dem entsprechenden Motto „Zukunft gestalten – Kommunalpolitik lockt Frauen“ hat die Gleichstellungsbeauftragte schließlich eine Vielzahl von Veranstaltungen organisiert, die im Frühjahr 2023 gestartet sind und bis heute andauern. Was alle einte: die Teilnahme ist grundsätzlich kostenlos und jede und jeder kann teilnehmen. Die Inhalte der Veranstaltungen sind dahingegen denkbar vielfältig. Vom politischen Kabarett über Vorträge zu Einflussmöglichkeiten im Ehrenamt, Workshops zur effizienten Sitzungsplanung oder zum sicheren Auftritt vor Publikum bis hin zu einem Besuch beim Mainzer Landtag reicht die Palette der Angebote, die laut Kretz immer besser angenommen werden.
Frauenstammtische beliebtes Format
Ein regelmäßiges Format, das begleitend zu den Einzelveranstaltungen laut Kretz sehr gerne angenommen wird, sind die Frauenstammtische. Dabei laden verschiedene Ortsbürgermeisterinnen gezielt zu sich ins Rathaus ein und bereiten für den Abend ein Thema aus ihrer politischen Praxis für die Teilnehmerinnen auf. „Diese Einblicke in den kommunalpolitischen Alltag bewähren sich sehr. Dadurch bekommen die Teilnehmerinnen eine genauere Vorstellung davon, welche Themen bespielt werden können und welche Gestaltungsmöglichkeiten man auch haben kann, wenn man sich engagiert“, so Kretz.
Nachfrage steigt stetig
Bis heute finden regelmäßig Veranstaltungen unter dem Motto „Zukunft gestalten – Kommunalpolitik lockt Frauen“ statt und die Nachfrage nach Plätzen bei den verschiedenen Seminaren, Workshops und Vorträgen steigt stetig, wie Kretz erzählt. „Nachdem anfangs manche Veranstaltungen aufgrund geringer Teilnehmerinnenzahl abgesagt werden mussten, hat sich das Projekt super entwickelt“, so die Gleichstellungsbeauftragte. So gebe es viel Dynamik in der Gruppe und teilweise Wartelisten für Veranstaltungen, zudem verfügt Kretz mittlerweile über ein großes Netzwerk an interessierten Frauen und die enge Kooperation mit den anderen regionalen Zusammenschlüssen bewähre sich. Dazu hätten nicht zuletzt auch die Öffentlichkeitsarbeit und die intensive regionale Berichterstattung über die Initiative beigetragen. „Wir waren mit unserem Angebot fast jede Woche in den Kreisnachrichten vertreten – das hat sehr geholfen“, so Kretz.
Netzwerk zeigt Wirkung
Noch ist es zu früh, um genaue Zahlen vorliegen zu haben, doch laut Kretz ist jetzt schon klar: „Die Initiative trägt Früchte und hat vieles in Gang gebracht“. So gebe es einige Frauen, die sich erstmals zur Wahl haben aufstellen lassen und die nun wissen würden: „Es gibt im Landkreis ein Netzwerk, an das ich andocken kann, wenn ich Fragen habe oder Rückhalt brauche“, so Kretz. Um den Schritt in die Politik zu wagen, braucht es ihrer Erfahrung nach viel Motivation, möglichst praktische Einblicke und nicht selten auch schlicht Information. So sei es etwa für viele aus ländlichen Gemeinden eine wichtige Erkenntnis gewesen: „Für eine Ortsgemeinde brauche ich gar keine Parteimitgliedschaft, um mich politisch engagieren zu können“.