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35,7 Prozent: Das ist der Anteil von Frauen im Bundestag. In Landtagen liegt der Frauenanteil bei 33,2 Prozent. Knapp 30 Prozent sind es in den kommunalen Vertretungen. (Stand Oktober 2024) Über 90 Prozent der Rathäuser und Landkreise werden von Männern geführt. Frauen machen über die Hälfte der Bevölkerung aus, jedoch sind ihre Erfahrungen, Sichtweisen und Kompetenzen in Parteien und Parlamenten unterrepräsentiert. Für eine lebendige und vielfältige Demokratie: Frauen in ihrer Vielfalt müssen sich angemessen an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen können. Doch auch nach über 100 Jahren Frauenwahlrecht gibt es strukturelle und institutionelle Hürden für Frauen in der Politik, wie die fehlende Vereinbarkeit von Amt, Familie und Beruf, die politische Kultur, das Wahlrecht und die Auswahl- und Nominierungsprozesse in den Parteien. 2023 geht es nicht mehr nur Chancengleichheit, sondern um die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter, wie es das Grundgesetz in Art. 3 Abs, 2 GG verlangt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Unter Daten und Fakten finden Sie aktuelle Zahlen zu Frauenanteilen in den Landesparlamenten und kommunalen Vertretungen. Sowohl Landesparlamente als auch kommunale Vertretung sind in ihrer Zusammensetzung im Hinblick auf die Geschlechter aber auch auf Familienkonstellationen, Alter, soziale Herkunft, Migrationserfahrungen oder sichtbare Behinderung wenig divers. Sofern Daten erhoben worden und uns zugänglich sind, werden wir diese aufbereiten.

Unter Publikationen bieten wir Material zum Download:  Studien und Umfragen zur politischen Teilhabe von Frauen, mit Handreichungen und Handlungsempfehlungen zur Förderung von Parität in der (Kommunal-)Politik, sowie Portraits von weiblichen Vorbildern und Vorstellungen von guten Praktiken aus den Kommunen. Auch unser in Deutschland einmaliges Monitoring zu Frauenanteilen unter den Kandidierenden und Abgeordneten der Bundestagswahl 2021 steht zum Download zur Verfügung.

Warum tut sich so wenig? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe historischer, individueller, sozioökonomischer, politisch-kultureller und institutioneller Natur. Die moderne Demokratie entstand ohne Frauen. Die historische Weichenstellung wirkt nach und beeinflusst die Rituale, die formellen und informellen Abläufe der Politik und das Bild des männlichen Politikers: Beispielsweise werden viele Entscheidungen beim abendlichen Stammtisch getroffen, Sitzungen gehen oft bis spät in die Nacht und auch Netzwerke und Unterstützung untereinander ist männliches Terrain, Frauen erleben Sexismus und Herabwürdigung aufgrund ihres Geschlechts.

Das Wahlrecht hat einen erheblichen Einfluss darauf, ob und in welchem Maße Frauen in den Parlamenten vertreten sind. In Ländern mit einem reinen Verhältniswahlrecht ist der Anteil der Frauen höher als in Ländern mit einer Direktwahl oder gemischten Systemen wie in Deutschland. Ein Paritätsgesetz könnte dazu beitragen, dass Frauen und Männer gleichermaßen in politischen Entscheidungsprozessen und der politischen Repräsentation vertreten sind.

Die gesellschaftlichen und sozioökonomischen Faktoren spielen eine große Rolle. Gender Pay Gap und Gender Care Gap sind zwei Seiten der gleichen Medaille: Frauen verbringen mehr Zeit für Sorgearbeit und verdienen weniger. Dadurch haben sie weniger finanzielle und zeitliche Ressourcen für aktive Politik. Und gerade die parteipolitische und kommunalpolitische Arbeit ist zeitaufwendig - und lässt sich schwer mit Familie und Beruf vereinbaren.

Parteien sind als Organisation kulturell männlich geprägt. Durch eingespielte Routinen bei Rekrutierung und Nominierung von Kandidierenden sind sie Gate-Keeper. Die Studie zu Parteikulturen und politischen Teilhabe von Frauen zeigt, wie Politikerinnen Alltagssexismus und doppelte Standards erfahren:  Erwartungen an sie sind andere als an Politiker, etwa in Bezug auf ihr Verhalten (nett und freundlich), ihre Leistung (stets perfekt vorbereitet) oder ihr Aussehen (weiblich, aber nicht zu übertrieben). Geschlechterstereotype schreiben Frauen und Männern unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften zu. Frauen nennen zudem die harten Auseinandersetzungen als Gründe für ihre Unterrepräsentanz in der Politik. Und Frauen trauen sich weniger zu: Es fehlt an Vorbildern und in einer weiblichen Lebensplanung ist daher eine politische Karriere nicht in dem Maße verankert wie bei Männern.

So vielseitig die Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik sind, so vielseitig müssen die Lösungen sein.

Eine paritätische Verteilung der Mandate in der Politik würde bedeuten, dass Frauen gleichberechtigt und entsprechend ihres Bevölkerungsanteils in politischen Mandaten und Ämtern vertreten sind. Wie lässt sich das erreichen? Netzwerke von und für Kommunalpolitikerinnen, Empowerment- und Mentoringprogramme  sollten gefördert werden. Frauen brauchen geschützte Austauschformate. Die politische Kultur muss sich verändern, Sexismus und Diskriminierung bekämpft werden. Rahmenbedingungen für die kommunalpolitische Arbeit müssen familienfreundlicher und inklusiver sein, etwa durch kürzere und frühere Sitzungen oder digitalen Teilnahme, Begrenzung der Redezeit und die Möglichkeit einer Kinderbetreuung.

Paritätsregelungen per Gesetz wurden 2019 in zwei Bundesländern - Brandenburg und Thüringen - verabschiedet. Bevor die Gesetze eingreifen konnten, wurden sie von den jeweiligen Landesverfassungsgerichten gekippt. Auch auf Bundesebene ist keine gesetzliche Regelung in Sicht. In der Wahlrechtsreform vom Frühjahr 2023 zur Verkleinerung des Bundestages konnte sich die Wahlrechtskommission zur Frage nach einer paritätischen Verteilung der Sitze im Parlament nicht einigen. Fazit: In Deutschland gibt es zum derzeitigen Stand damit keine gesetzliche Regelung zu Parität in der Politik. Dr. Helga Lukoschat, Senior Advisor und Vorstandsmitglied der EAF Berlin fordert in einem Blogbeitrag: Aufgeben ist keine Option – Wir fordern Parität jetzt!.