INTERVIEW

Drei Fragen an...

Dr. Eva Högl ist seit 2009 und Yvonne Magwas (CDU) seit 2013 Mitglied im Bundestag. Beide sind seit vielen Jahrzehnten parteipolitisch engagiert. Hier nehmen sie Stellung zu drei häufigen Fragen und Statements zum Thema Parität.

Eva Högl

Yvonne Magwas


 

Sind Quoten undemokratisch?
 

Yvonne Magwas (CDU):

Quoten sind natürlich nicht undemokratisch - warum sollten sie?! In einer Volkspartei gibt es viele „Quoten“, die üblicher Weise berücksichtigt werden, z.B. einen gewissen Regionalproporz oder die Repräsentanz der Vereinigungen. Das Quorum, das in der aktuell CDU gilt, stellt sicher, dass Frauen mit einem Mindestanteil von 1/3 auf allen Wahllisten vertreten sind. Da ist noch Luft nach oben! Und: Wer die Chance, die sich dank einer Quote ggf. bietet, nicht ordentlich nutzt, ist ganz schnell wieder weg vom Fenster.


Dr. Eva Maria Högl (SPD):

Diese Behauptung halte ich für abwegig. Bei der Forderung nach einem paritätischen Wahlgesetz geht es selbstverständlich nicht darum, demokratische Grundprinzipien in Frage zu stellen. Demokratie und parlamentarische Repräsentanz bedeuten allerdings auch, dass Frauen in Parlamenten paritätisch vertreten sein müssen, also die Hälfte der Abgeordneten stellen. Dieses Ziel ergibt sich bereits aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort ist festgelegt, dass der Staat die tatsächliche Herstellung der Gleichberechtigung fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken muss. Trotz dieser klaren Vorgabe sind wir vom Ziel einer paritätischen Besetzung des Parlaments im Moment weit entfernt, da der Frauenanteil im Deutschen Bundestag in der aktuellen Wahlperiode nur knapp 31 Prozent beträgt. Angesichts dessen müssen wir dringend Maßnahmen ergreifen, um den Frauenanteil im Deutschen Bundestag zu erhöhen und damit den Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes umzusetzen. Der Blick in andere Staaten wie Frankreich zeigt, dass verbindliche gesetzliche Vorgaben zur Geschlechterparität das richtige Mittel sind, um dieses Ziel zu erreichen.


Fühlen sich Frauen auf einer paritätischen Liste nicht als „Quoten-Frauen“?
 

Högl:

„Quoten-Frau“ ist ein Kompliment! Quoten sorgen dafür, dass exzellente Frauen auf die Plätze kommen, die sie verdient haben und auf die sie gehören. Das Problem ist doch nicht, dass es keine kompetenten, gut ausgebildeten und engagierten Frauen in den Parteien gibt – ganz im Gegenteil! Zu viele dieser Frauen gehen allerdings trotz freiwilliger Quoten in den meisten Parteien im internen Rennen um Mandate leer aus, weil die parteiinterne Mandatsvergabe häufig über informelle, meist männerdominierte Netzwerke stattfindet, zu denen vor allem Frauen mit Familie nur selten Zugang erhalten. Verbindliche Paritätsregelungen setzen genau hier an, indem sie sicherstellen, dass Frauen bei der Listenaufstellung zwingend genauso stark berücksichtigt werden müssen wie Männer.  
 

Magwas:

Eine paritätisch besetzte Liste ist schlicht eine Liste, die die Gleichberechtigung von Frau und Mann widerspiegelt. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist weiblich, mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten in Deutschland ist weiblich. Warum also sollten sich Frauen, die auf einer paritätisch besetzten Liste stehen, als Quoten-Frauen fühlen?! Selbstverständlich gehört auf allen politischen Ebenen der weibliche Blick und die weibliche Sichtweise in unsere Parlamente. Das ist sogar entscheidend! Wenn Frauen nicht in den Parlamenten vertreten sind, haben Frauen und ihre Belange in wichtigen Gremien kein Gewicht. Das ist fatal!


Parität stellt Gerechtigkeit her: Sie gleicht die strukturelle Bevorzugung von Männern in der Politik aus.

Magwas:

Ich würde nicht sagen, dass Männer in der Politik strukturell bevorzugt werden. Die Rahmenbedingungen sind vielmehr so, dass sie Frauen benachteiligen. Ich denke dabei an ganz praktische Dinge, wie z.B. Zeit und Dauer einer Sitzung im Orts- oder Kreisverband. Wenn diese Sitzungen erst spät abends beginnen oder Parteitage sonntags stattfinden, schreckt das viele Frauen ab. Oder die, die es nicht abschreckt, können trotzdem nicht immer teilnehmen oder bis zuletzt blieben, weil sie Kinder und Familie haben - und dieser auch Raum geben wollen. Wenn es aber eine gesetzliche Regelung gibt, die eine Mindestbeteiligung von Frauen vorschreibt, werden zwangsläufig auch die strukturellen Rahmenbedingungen geändert werden.

Högl:

Es ist leider richtig, dass es derzeit eine strukturelle Bevorzugung von Männern in der Politik gibt. Der Grund hierfür liegt ganz überwiegend in tradierten innerparteilichen Abläufen und Strukturen. So sind Parteiversammlungen mit Sitzungszeiten bis in den späten Abend beispielsweise nur sehr eingeschränkt mit familiären Aufgaben zu vereinbaren. Da Frauen auch heute noch in größerem Maße als Männer familiäre Betreuungs- und Pflegeaufgaben übernehmen, fällt es deshalb insbesondere Frauen schwer, genügend Zeit aufzubringen, um sich parteiintern für ein Mandat zu bewerben. Gesetzliche Regelungen setzen bei dieser strukturellen Benachteiligung von Frauen an und zwingen Parteien dazu, ihre internen Auswahlprozesse bei der Aufstellung von Listenplätzen so zu organisieren, dass Frauen bei der Listenaufstellung genau die gleichen Chancen haben wie männliche Bewerber. Verpflichtende Regelungen zur Geschlechterparität bei der Listenaufstellung führen somit gleichzeitig dazu, die traditionell männerdominierten Aufstiegsregeln in politischen Parteien durch transparente und diskriminierungsfreie Auswahlprozesse zu ersetzen.