INTERVIEW

Drei Fragen an...

Wir haben mit Gyde Jensen, der derzeit jüngsten Abgeordneten des Deutschen Bundestages darüber gesprochen, welche Erfahrungen ihren Weg zum politischen Amt prägten und wo sich Gleichstellungspolitik in ihrem politischen Alltag wiederfindet. Jensen studierte Anglistik, Politikwissenschaft und Internationale Politik in Kiel und arbeitet, nach Stationen in Genf und Washington D.C., seit 2015 als Kommunikationsreferentin für die Friedrich-Naumann-Stiftung. Seit 2010 engagiert sie sich bei der FDP in Schleswig-Holstein.

 

Welche Herausforderungen und Erfolgsfaktoren prägten Ihren Weg zum politischen Amt?

Am Anfang einer Kandidatur steht immer die politische Idee: Für was möchte ich stehen, welche Überzeugungen habe ich? Das ist eigentlich die größte Herausforderung, da man diese immer wieder erneuern muss. Je länger man in einem Amt ist, desto schwieriger ist die Erneuerung. Das sieht man an der Kanzlerschaft von Angela Merkel, vor der ich großen Respekt habe. Nicht zuletzt deshalb fordere ich eine Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler, aber auch für Abgeordnete. Erfolgsversprechend ist natürlich darüber hinaus kontaktfreudig zu sein, keine Angst vor Kritik zu haben, aber auch offen dafür zu sein. Das hat mich immer wieder verbessert, ich würde sogar so weit gehen, dass es jeden ein Stück weit besser macht. Für mich ganz persönlich kam hinzu, dass mich Leute immer wieder direkt angesprochen haben, ob ich kandidieren wolle. Eine Art Vertrauensvorschuss und für mich immer der Beweis, dass Politik eben am besten im Team funktionieren kann. Das hat auch mein Verständnis von Politik geprägt, den Teamgedanken hochzuhalten, Austausch zu suchen und auch selbst Menschen direkt anzusprechen. Politik ist da häufig noch zu "männlich". Ich meine damit, dass viele sich lieber selbst darstellen wollen, anstatt eine Mitmachkultur vorzuleben. Das machen eher Männer als Frauen, meiner Erfahrung nach.
 

Welche Rolle spielt Gleichstellungspolitik in Ihrem politischen Alltag?

Der Einsatz für Gleichstellung ist für mich kein einzelner Politikbereich. Ich betrachte Gleichstellun lieber ganzheitlich. Alle, die heute Politik machen, sollten Gleichstellung mitdenken. Ich finde, Politik hat hier eine Vorbildfunktion Vielfalt selbst umzusetzen. Es ist ganz selbstverständlich, dass jede Gesellschaft Vorbilder braucht. In meinem Einsatz für Menschenrechte merke ich immer mehr, dass meine Ideen, Gleichstellung stärker in der Außenpolitik zu verankern, ankommen, auch gebraucht werden. Das sage auch nicht nur ich, sondern das sagt die UN-Resolution 1325. Nimmt man sich die zum Vorbild, haben wir in der Gleichstellungsfrage außenpolitisch noch erheblichen Aufholbedarf. Ich möchte nur einen Vergleich anstellen: In Deutschland sind nur 15% aller Botschafter weiblich, in Schweden sind es um die 40%.
 

Welche Maßnahmen braucht es für mehr Frauen in den Parlamenten?

Ich finde, hier sind in erster Linie die Parteien gefragt. Nach dem Grundgesetz haben diese den gestaltenden Auftrag und deshalb müssen sie sich intensiv damit befassen, wie man 50% der Bevölkerung besser mitbestimmen lässt. Von einer Änderung des Wahlgesetzes, wie es Bundesjustizministerin Katarina Barley vorschlägt, halte ich deshalb nichts. Das Bundesverfassungsgericht setzt dem ohnehin enge Grenzen. Parteien haben dafür viel mehr Möglichkeiten. Ich habe eben die direkte Ansprache erwähnt, das ist ungemein wichtig, woraus sich auch neue Netzwerke bilden können. Das gilt für Frauen wie Männer, wer gute Leute will, muss diese fördern. Ich halte es auch für legitim, wenn sich Parteien feste Regeln für Gleichstellung geben. Wenn andere Maßnahmen nicht helfen, finde ich für eine gewisse Zeit eine Quote deshalb sinnvoll. Das kann neues Bewusstsein schaffen und zeigt auch nach außen ein echtes Bestreben, sich um Gleichstellung zu kümmern. Wichtig ist bei allen Maßnahmen, dass sich das Verhalten ändert, neue Offenheit für Gleichstellungsfragen entsteht. Gesellschaftlicher Fortschritt muss sichtbar sein.