Die Gastartikel

Zicke, Mutti, schwäbische Hausfrau

Zwar sind Politikerinnen heute Alltag, doch werden sie in der medialen Berichterstattung immer noch abgewertet und trivialisiert. Eine Typologie der gängigsten Sexismen, denen Politikerinnen heute immer noch ausgesetzt sind.

ÜBER DIE AUTORIN

Dr. Dorothee Beck

Dr. Dorothee Beck forscht an der Uni Marburg zu Politik, Medien und Geschlecht sowie zu Antifeminismus. Sie arbeitet daneben als Moderatorin, Kommunikations- und Politikberaterin und gibt Workshops in geschlechterbewusster Öffentlichkeitsarbeit. Im Auftrag des Journalistinnenbundes fungiert sie als Koordinatorin des Global Media Monitoring Project in Deutschland. www.dorothee-beck.de


1. Die Reduktion auf Äußerlichkeiten

Machen wir eine Zeitreise ein paar Monate zurück. Nicht Annegret Kramp-Karrenbauer, sondern Friedrich Merz wird zum CDU-Vorsitzenden gewählt. Bild Online schreibt:

„Do’s und Dont’s für Fritze:

➜ Sein Kurzhaarschnitt wirkt jugendlich – aber auch ein bisschen lausbubenhaft. Eine etwas weichere, blonde Hornbrille wäre ein gutes Match.

➜ Schwarz, die eleganteste aller Farben, steht ihm gut. Er hat eine sportliche Figur. Im diskreten Drei-Reiher hätte er die Seriosität fürs kommende Amt.

➜ Keine Lederjacken, extravagante Krawatten und Farbkombinationen – alles Modische ist angreifbar.“

Lächerlich? Bild online verbreitete am 15. Dezember 2018 fast wortgleich solche ‚Stil-Tipps‘ für die neue CDU-Vorsitzende.

Ist doch bloß Boulevard? Die Stuttgarter Nachrichten unterzogen AKK bereits am 21. Februar 2018 einem Stil-Check. Focus online berief sich auf den Slogan der Frauenbewegung ‚Das Private ist politisch‘ und befand: „Wenn es nach Udo Walz, dem bekanntesten Frisör Deutschlands geht, ist Kramp-Karrenbauer auf dem Weg ins Kanzleramt nicht mehr aufzuhalten (...). Walz hat den lang anhaltenden Spott um die Frisur von Angela Merkel (...) aus der Welt geschafft. Als Ministerin und auch noch anfangs als CDU-Vorsitzende musste sie sich viele hämische Kommentare wegen ihrer strähnigen Haare und der Prinz-Eisenherz-Frisur anhören. So eine Krisenintervention (...) ist bei Annegret Kramp-Karrenbauer nicht nötig, meint der Meister.“ (Focus online 06.10.2018)

2. Die Politikerin als Mutti

Merkel galt den Medien jahrelang als unumstrittene Chefin in der Bundesregierung wie auch in ihrer Partei. Das  zeigt sich ausgerechnet in den Mutter-Metaphern, die medial über sie verbreitet wurden. Die Mutti, die ihre männliche Rasselbande im Kabinett und in ihrer Partei im Griff hat, ist dabei zweifelsohne ein wärmeres Bild als die schwarze Witwe, als die Merkel zuvor galt, weil sie angeblich ihre gesamte männliche Konkurrenz weg gebissen hatte. Ein ebenfalls beliebtes Bild in Bezug auf die Kanzlerin war das der schwäbischen Hausfrau, die die Groschen zusammen hält. Mit dieser Metapher wurde Merkels Austeritätspolitik familiär gerahmt. Im Sommer der Migration 2015 sagte Merkel ihren berühmten Satz „Wir schaffen das!“ Das Bild der Mutter der Nation, die über den Parteien stand und die Probleme empathisch, resolut und gemeinsam mit allen regelte, war erschaffen.
Dieses Mutter-Bild hat jedoch einen Haken: Die Rasselbande wird irgendwann erwachsen und schickt Mutti aufs Altenteil. Diese Metapher ist ist heute nahezu aus den Medien verschwunden.

3. Die Abwertung von Machtkämpfen unter Frauen als Zickenkrieg

Zickenkrieg! Mit diesem Begriff assoziiert man Handtaschen als Schlagwaffen und sich hysterisch überschlagende Stimmen, aber keine politische Auseinandersetzung. Dennoch fehlt er von Bild über Tagesspiegel, taz und Cicero bis zur Huffington Post in kaum einem Beitrag über den Konflikt zwischen den Linken-Chefinnen Sahra Wagenknecht (Fraktion) und Katja Kipping (Partei). Zwar wird zumeist versichert, dass es sich mitnichten um einen solchen  handele, soviel Bewusstsein gibt es immerhin. Doch auch in der Verneinung wird die Assoziation wiederholt. Und ganz von der Bildfläche verschwunden ist die Metapher auch als ernstgemeinter Bezugspunkt nicht. So zitiert etwa ein ungenanntes „führendes Parteimitglied“ (Bild 05.10.2016) der Linken mit diesem Begriff. Mit der Assoziation „Zickenkrieg“ wird der politische Machtkampf zwischen zwei Frauen trivialisiert mit der impliziten Botschaft, Männer seien nun doch die eigentlichen, die ‚richtigen‘ Politiker.

4. Darstellung als Sexobjekt

Nachdem die FDP 2013 aus dem Bundestag geflogen war, entdeckte die Partei das Spiel mit Geschlecht. Zur Bürgerschaftswahl in Hamburg 2015 wurde ein Porträt der Spitzenkandidatin Katja Suding mit dem Slogan „Unser Mann für Hamburg“ plakatiert. „Verwirrend“ und „verzweifelt“ befand Spiegel online (09.12.2014), „bizarr“ meinte Focus online (09.12.2014). Die FAZ rief die Rückkehr der „Spaßpartei FDP“ aus (faz.net 05.02.2015). Doch auch die Zuschreibung „bester Mann“ (Hamburger Abendblatt 09.12.2014) verhinderte nicht den Schwenk der Tagesschau über Sudings Beine bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 6. Januar 2015.

Fazit

Niemand würde heute noch ernsthaft die Partizipation und den Führungsanspruch von Politikerinnen in Frage stellen. Und doch lassen sich – je nach Kontext – weiterhin sexualisierende, trivialisierende und auf andere Weise abwertende Medienbilder erkennen. Das ist nicht unbedingt Kalkül, oft einfach nur die unreflektierte Reproduktion internalisierter Bilder oder Frames. Und die müssen wir immer wieder skandalisieren, auch auf die Gefahr hin, als „feminist killjoys“ (Sara Ahmed) – als feministische Spaßbremsen zu gelten.