Drei Fragen an...

Jens Brandenburg (FDP) ist seit 2017 Abgeordenter im Deutschen Bundestag für den Rhein-Neckar-Kreis. Seit 2006 lebt er mit seinem Lebenspartner in der Kurpfalz, seit 2017 in Walldorf. Nach seinem Studium der Politikwissenschaft und VWL promovierte er an der 2014 an der Graduate School of Economic and Social Sciences, Universität Mannheim. Bis 2017 war er für drei Jahre für eine internationale Unternehmensberatung tätig. Für die FDP-Bundesfraktion ist er Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen sowie für LSBTI.

Was ist die Aufgabe eines LSBTI-Sprechers in einer Bundestagsfraktion?


Jens Brandenburg:

Als LSBTI-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion erarbeite ich für die Fraktion Positionen zu Fragen rund um das Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Als zentraler Ansprechpartner vertrete ich unsere Positionen nach außen und halte den direkten Kontakt zur Community. Gegenüber der Bundesregierung setze ich mich im Namen meiner Fraktion für eine Verbesserung der LSBTI-politischen Lage ein. Homo- und Transfeindlichkeit sind auch in Deutschland leider keine Seltenheit. Gewählte Mandatsträger der extremen Rechten hetzen offen gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten. Körperliche Übergriffe gegen LSBTI nehmen zu. Solange Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität diskriminiert werden, müssen wir unseren Einsatz für LSBTI in Deutschland, Europa weltweit verstärken.


Warum gibt es im Bundestag keine Abgeordneten, die transgender oder nicht-binär sind und wie können wir das ändern?


Brandenburg:

Mir ist zumindest kein Mitglied des Bundestags bekannt, der*die transgender oder nicht-binär ist. Das heißt nicht, dass es niemanden gibt. Nicht jede und jeder gibt die eigene geschlechtliche Identität nach außen zu erkennen. Der offene Umgang mit geschlechtlicher Identität ist leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Es gibt einen großen Aufklärungsbedarf, auch im politischen Berlin. Eine übliche Reaktion auf etwas, was man nicht versteht, ist Ablehnung. Vorurteile und falsche Vorstellungen über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt fördern intolerante Einstellungen und Verhaltensweisen. In einer besseren Aufklärung an Schulen und über klassische wie soziale Medien sehe ich den wichtigsten Schritt zu einer offenen Atmosphäre, in der sich jede/r akzeptiert und willkommen fühlt. Dazu können wir alle beitragen.

Gibt es bei queeren Themen eine überfraktionelle Zusammenarbeit ähnlich wie bei manchen "Frauenthemen"?


Brandenburg:

Ja, im Bundestag treffen sich die LSBTI-politischen Vertreter aller Fraktionen außer der AfD alle paar Wochen zum Frühstück, um gemeinsame Themen voranzutreiben. Das letzte Treffen war gerade erst vor zwei Tagen. Die Zusammenarbeit ist sehr kollegial und an der gemeinsamen Sache orientiert. Das hat mich als Neuling im Parlament sehr gefreut. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir schon Erfolge erzielt. Über eine erweiterte Anerkennung von Opfern des § 175 StGB, nach dem in der Bundesrepublik zahlreiche homosexuelle Männer verurteilt wurden, haben wir uns schon sehr früh verständigt. Die gute Zusammenarbeit von Regierungs- und Oppositionsfraktionen hat ermöglicht, eine in der Sache wirklich gute Lösung zu finden. Zusammen mit den Grünen und der Linksfraktion haben wir Freie Demokraten im Mai einen Gesetzentwurf zur Aufnahme des Schutzes vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes vorgestellt. Natürlich sind wir uns nicht immer einig. Bei der Abschaffung des Transsexuellengesetzes und für ein modernes Familienrecht wünsche ich mir viel mehr Mut auf der Regierungsbank. Aber allein der Austausch darüber mit den Fachpolitikern anderer Fraktionen ist schon ein großer Gewinn.