Die Gastartikel

Auf dem Weg zu Geschlechterparität - Brandenburg wird Vorreiterin

Monika von der Lippe zeichnet die aktuellen Entwicklung im Land Brandenburg auf dem Weg zu einem Paritätsgesetz nach.

ÜBER DIE AUTORIN

Monika von der Lippe

Monika von der Lippe ist Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg. Sie studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Politologie und Romanistik und war von  2006-2015 Leiterin des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesgeschäftsstelle der LINKEN.

In Kürze wird Brandenburg das erste deutsche Bundesland mit einem Parité-Gesetz sein. Die Koalitionsfraktionen aus SPD und DIE LINKE haben sich im Januar 2019 auf Änderungen zu einem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf geeinigt. Das Landeswahlgesetz soll so geändert werden, dass zukünftig Frauen und Männer bei der Aufstellung von Landeswahllisten gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Die Landeslisten sind nach dem sogenannten Reißverschlussverfahren zu besetzen, das heißt abwechselnd mit Frauen und Männern. Andernfalls hat der Wahlausschuss diese Wahlvorschläge zurückzuweisen.

Falls eine abwechselnde Besetzung mit Frauen und Männern nicht durchgängig der Fall ist, werden die Namen dieser Bewerberinnen bzw. Bewerber aus der Liste gestrichen. Auch für Menschen, die nach dem Personenstandsrecht weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, wurde eine Regelung gefunden. Diese können sich vor der Landesversammlung entscheiden, ob sie auf einem Listenplatz für Männer oder Frauen geführt werden wollen. Für die kommende Wahl im September 2019 sollen diese Änderungen noch nicht gelten.

Der Gesetzentwurf der Grünen sah zudem eine Quotierung der Direktkandidaturen vor. Die Zahl der Wahlkreise sollte halbiert werden. In diesen Wahlkreisen sollten Duos aus Mann und Frau als Direktkandidaten antreten. Um die Wahlfreiheit der Wahlberechtigten zu erhöhen, war es ebenfalls vorgesehen, eine Kandidatin und einen Kandidaten aus unterschiedlichen Parteien bzw. Wahlvereinigungen wählen zu können. Das Duo bzw. die Kandidatinnen und Kandidaten mit den meisten Stimmen hätten zusammen den Wahlkreis vertreten. Einzelbewerbungen sollten weiter zulässig sein. Für diesen weitergehenden Vorschlag fand sich in der Regierungskoalition derzeit keine Mehrheit.

Die CDU-Fraktion hat im Januar 2019 ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser Entwurf eines „Chancengerechtigkeitsgesetz“ sieht u.a. Soll-Regelungen für das Landes- und Kommunalwahlecht vor, sowie die statistische Erfassung ihrer Wirksamkeit verbunden mit einer Berichtspflicht der Landesregierung. Zudem soll in der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg eine Entschädigung für die Aufwendungen von Kinderbetreuung für ehrenamtliche Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertreter ergänzt werden.

Parität endlich auf der politischen Agenda

100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte über die geringe politische Teilhabe von Frauen in den Parlamenten. Dieses Jubiläum hat auch in Brandenburg dazu beigetragen, das Thema auf die politische Agenda zu setzen. Über Wege zu Parität in den Parlamenten wird hier jedoch schon länger diskutiert. Bereits das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm der Landesregierung und das Leitbild der Landesregierung „Gleiche Chancen für Frauen und Männer… und Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten“ nahm die Stärkung von Frauen in der Kommunal- und Landespolitik in den Blick. 2016 beteiligte sich das Land Brandenburg an den Paritätsforen, die von der EAF Berlin (Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft) im Auftrag der Bundesregierung organisiert wurden.

Die Landesgleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe publizierte gute Beispiele zur Einbeziehung von Frauen in die Politik in der Broschüre „Frauen. Macht. Faire Chancen. Unterstützung politischer Teilhabe von Frauen in Brandenburg“ und ließ von der Universität Potsdam ein Gutachten zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für politische Parität im Land Brandenburg erarbeiten. Nicht zuletzt waren der Frauenpolitische Rat Land Brandenburg e.V. wie auch die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten treibende Kräfte: von Konferenzen über Stellungnahmen bis hin zur aktuellen Unterschriftenkampagne „Wir fordern ein Parité-Gesetz für Brandenburg – jetzt!“.

Die Debatte über Geschlechterparität in Parlamenten wurde über die Parteigrenzen hinweg geführt. Die Befürworterinnen eines Paritätsgesetzes waren u.a. durch eine von der Landesgleichstellungsbeauftragten ins Leben gerufene AG Parität gut vernetzt. Ein wichtiges Signal für den Schulterschluss der frauenpolitischen Akteurinnen im Land war im September 2018 der gemeinsame Aufruf „Mehr Frauen in die brandenburgische Politik!“ der Landesgleichstellungsbeauftragten Monika von der Lippe und der Landtagsabgeordneten und frauenpolitischen Sprecherinnen Ina Muhß (SPD-Fraktion), Kristy Augustin (CDU-Fraktion), Diana Bader (Fraktion DIE LINKE) und Ursula Nonnemacher (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen).

Der Startschuss für die parlamentarische Debatte fiel dann am 8. März 2018. Anlässlich des Internationalen Frauentags beantragte die Fraktion DIE LINKE eine Aktuelle Stunde zum Thema: „100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland: Geschlechterparität in der Politik herstellen“. In einem Entschließungsantrag forderten die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auf, einen Vorschlag für geschlechterparitätische Wahlgesetze zu unterbreiten sowie Maßnahmen der Landesregierung zum Ausbau spezieller Programme und Angebote für eine stärkere Beteiligung von Frauen in der Politik. Am selben Tag fand auch die erste Lesung des Gesetzentwurfs für ein „Inklusives Parité-Gesetz“ statt, der von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen eingebracht wurde.

Beide Prozesse verliefen in den folgenden Monaten parallel. Der Gesetzentwurf der Grünen wurde im Juni 2018 in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Kommunales diskutiert. Im November 2018 legte die Landesregierung ihren Bericht „Geschlechterparitätische Regelungen im Landtags- und Kommunalwahlrecht“ vor. Dieser wurde vom Frauenpolitischen Rat Brandenburg scharf kritisiert, da er die geforderte Lösungsorientierung für eine wichtige wie komplexe politische Herausforderung vermissen lasse. Zahlreiche öffentliche Diskussionen, zivilgesellschaftliches Engagement, überzeugende Argumente der Befürworterinnen und Befürworter eines Paritätsgesetzes sowie die Unterstützung der Frauen in den Koalitionsfraktionen – all dies mündete zu guter Letzt in den nun vorliegenden Beschluss.

Was bleibt, ist die Aufgabe, zukünftig auch für die kommunale Ebene geeignete Maßnahmen und Regelungen für Geschlechterparität zu finden, denn in Brandenburg ist die Zahl weiblicher Kommunalvertreterinnen erschreckend gering. Hier liegt der Frauenanteil nur bei rund 23 Prozent (im Landtag bei 39 Prozent). Zudem sind die Unterschiede dort sehr groß. Noch immer gibt es Kommunalvertretungen ganz ohne Frauen. Hier sind weitere Veränderungen dringend erforderlich. Darüber hinaus wird Brandenburg sich auch auf Bundesebene für Parität einsetzen und andere Bundesländer bei dem Thema beraten.